Investiturstreit und Kirchenreform: Macht und Glaube

Investiturstreit und Kirchenreform: Macht und Glaube
Investiturstreit und Kirchenreform: Macht und Glaube
 
Die Ziele der Kirchenreform
 
Die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts, die aus der Klosterreform des 10. Jahrhunderts hervorging, verfolgte hauptsächlich drei Ziele, nämlich den Kampf gegen die Simonie, für den Zölibat und gegen den starken Einfluss von Laien innerhalb der Kirche.
 
Seit dem ausgehenden 10. Jahrhundert wurde die Idee der Kirchenfreiheit, das heißt die direkte Unterordnung unter den Papst und damit die Unabhängigkeit von Bischof und Vogt, meist mit der Ablehnung der Simonie verbunden. Der Begriff Simonie geht auf eine Episode in der Apostelgeschichte zurück, wo ein Zauberer namens Simon dem Apostel Petrus viel Geld bietet, um die Kräfte des Heiligen Geistes zu erlangen. Ein Simonist ist also jemand, der die Gaben des Heiligen Geistes für Geld erwirbt. Beide, Geber und Empfänger, machen sich schuldig. Das Vergehen wurde schon vor dem 11. Jahrhundert mit der Exkommunikation bedroht. Die Ausweitung des Simoniebegriffs, dass nämlich nicht nur die Zahlung von Geld verurteilt wird, sondern auch die Erlangung eines geistlichen Amtes mithilfe von Beziehungen, Versprechungen oder Diensten, geht auf Papst Gregor den Großen (590—604) zurück.
 
Das Streben nach Askese, wie es in der Klosterreform zum Ausdruck kam, hatte auch Folgen für den Weltklerus. Die alte Forderung nach Ehelosigkeit der höheren Geistlichen, die auf den Beginn des 4. Jahrhunderts zurückgeht, sollte wieder ernst genommen werden. In Italien, Frankreich und Deutschland waren die Priester im 10. Jahrhundert vielfach verheiratet. Bei den Landpriestern wurde dieser Zustand geduldet. Denn der Zwang, sich mit bäuerlicher Arbeit zu ernähren, machte die Mithilfe einer Frau geradezu notwendig. Bei höheren Klerikern erweckte die Ehe jedoch schneller Anstoß. 1022 veranstalteten Papst Benedikt VIII. und Kaiser Heinrich II. eine Synode in Pavia, die scharfe Dekrete gegen die Klerikerehen erließ, wobei auf die Gefahr der Entfremdung des Kirchenguts hingewiesen wurde. Aber diese Dekrete hatten kaum Erfolg.
 
Zu den alten Geboten gegen Simonie und Klerikerehe kam seit der Mitte des 11. Jahrhunderts die Forderung, den Einfluss der Laien in der Kirche zurückzudrängen. Dabei ging es um die Eigenkirchen, Kirchen, die adligen Grundherren gehörten und von diesen vielfach wie Mühlen oder andere Wirtschaftsbetriebe ausgebeutet wurden. Außerdem erschien es nicht mehr hinnehmbar, dass geistliche Symbole wie Ring und Stab benutzt wurden, wenn der König Bischöfe in ihr Amt einsetzte (»investierte«).
 
 Heinrich III. bringt die Reform nach Rom
 
Es war der zweite Herrscher aus dem Geschlecht der Salier, Heinrich III., der den Anstoß zur Durchsetzung der Kirchenreform in Rom gab. Als er 1046 nach Italien reiste, um die Kaiserkrone zu erlangen, war nicht ganz klar, welcher der damals miteinander rivalisierenden drei Päpste die nötige Legitimität besaß, um ihn zum Kaiser zu krönen. Einer von ihnen, Gregor VI., stand zwar den Vorstellungen der Kirchenreform nahe, war aber mithilfe von Geldzahlungen an die Anhänger seines Vorgängers ins Amt gelangt. Auf zwei Synoden, die 1046 unter der Leitung des deutschen Königs tagten, wurden alle drei Päpste abgesetzt, und Heinrich III. erhob Bischof Suitger von Bamberg zum Papst, der den Namen Klemens II. annahm. Doch er starb bereits wenige Monate, nachdem er den Stuhl Petri bestiegen hatte. Sein Nachfolger Damasus II. — abermals ein deutscher Bischof — amtierte sogar nur drei Wochen.
 
 Leo IX.: Der erste Reformpapst
 
Erst Bischof Bruno von Toul, ein Verwandter des Kaisers, der sich Leo IX. (1049—54) nannte, hatte genügend Zeit, um die Reform der Kirche in Angriff zu nehmen. Seine wichtigsten Mitarbeiter brachte er aus Lothringen und Burgund mit; damit leitete er die Internationalisierung der Kurie ein.
 
Leos bedeutendster Mitarbeiter war Humbert von Silva Candida. Er spielte auch unter den folgenden Päpsten eine entscheidende Rolle an der Kurie. Wegen Humberts Schlüsselstellung hat seine Schrift gegen die Simonie mit Recht große Beachtung gefunden. Hier wird der König ausdrücklich als Laie bezeichnet, das heißt, Humbert lehnte die Auffassung von der halbgeistlichen Stellung des Königs ab. Seiner Meinung nach steht es im Widerspruch zum Kirchenrecht, wenn der König die Bischöfe ernennt und die Zustimmung von Klerus und Volk lediglich ein formaler Akt ist. Die Übertragung des Bischofsamts durch Ring und Stab durch den König ist nach Humbert eine Anmaßung, weil der weltliche Herrscher damit den Anspruch erhebt, er könne die bischöfliche Amtsgnade verleihen. Hier war zum ersten Mal formuliert, was in der Zeit Gre- gors VII. zum Programm der kirchlichen Reform wurde: Die Probleme der Verweltlichung der Kirche sind zu lösen, wenn man den weltlichen Einfluss bei der Vergabe kirchlicher Ämter beseitigt.
 
Papst Leo IX. entfaltete in seinem kurzen Pontifikat vielfältige Aktivitäten. In Rom weilte er nur wenige Monate. Durch sein persönliches Erscheinen an vielen Orten des lateinischen Europa vermittelte Leo bei Geistlichen und Laien einen Eindruck davon, was der Primat des Papstes hieß: ein unmittelbares Eingreifen in alle Probleme der Kirche. Auf seinen Reisen versuchte er insbesondere auch die Volksmassen für die Ziele der Reform zu gewinnen, indem er Kirchen weihte und Heilige erhob.
 
1049 hielt Leo IX. anlässlich der Weihe der neuen Kirche von Saint-Rémi in Reims eine Synode ab. Auch der französische König war geladen, aber reformfeindliche Bischöfe rieten ihm ab, mit dem vom Kaiser eingesetzten Papst zusammenzuarbeiten. Die Synode war daher schlecht besucht; die Mehrzahl der Teilnehmer waren Äbte, an ihrer Spitze der neue Abt von Cluny, Hugo (1049—1109). Alle Anwesenden mussten einen Eid ablegen, dass sie ohne Simonie in ihr Amt gekommen seien; wer sich der Simonie schuldig gemacht hatte, wurde abgesetzt und exkommuniziert. Die Synode erklärte feierlich, dass allein der römische Bischof der Primas der Gesamtkirche und der Apostelnachfolger sei; damit bestätigte sie Leos Anspruch auf uneingeschränkte Leitung der gesamten Kirche.
 
Im selben Jahr hielt der Papst auch in Mainz eine große Synode ab, bei der praktisch der gesamte Episkopat des Reiches und auch der Kaiser zugegen waren. Wie in Reims wurden hier Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe erlassen. 1050 vertrat der Papst dann auf vier Synoden in verschiedenen Gegenden Italiens die Forderung nach einer Reinigung der Kirche und des Klerus auch dort. Besondere Feindschaft schlug Leo in Oberitalien entgegen; hier sollten auch künftig die Gegner der Reform besonders stark bleiben, denn die meist aus dem hohen Adel der oberitalienischen Städte stammenden Bischöfe und Domkleriker waren nicht bereit, auf ihre im 10. Jahrhundert gewonnene Unabhängigkeit von Rom zu verzichten.
 
Auch auf einem anderen Gebiet brachte Leo IX. Neuerungen. Er war der erste Papst, der militärisches Eingreifen mit den Geboten der Kirche in Einklang zu bringen suchte. Seine kriegerischen Unternehmungen gelten als wesentliche Wurzel der Kreuzzüge. Für seinen Kriegszug gegen die Normannen warb er mit dem Versprechen eines Ablasses, und die Gefallenen der Schlacht bei Civitate (1053) gegen die Normannen, wo das päpstliche Heer eine schwere Niederlage erlitt, wurden als Märtyrer verehrt.
 
 Reformmaßnahmen unter Papst Nikolaus II. (1058—61)
 
Gleich zu Beginn seines Pontifikats versammelte Nikolaus II. im Lateran eine Synode (Ostern 1059), auf der ein Papstwahldekret beschlossen wurde. Dieses legte die freie Wahl des Papstes fest und beschränkte das Wahlrecht auf die Kardinäle; die übrige Geistlichkeit und die Bevölkerung Roms sollten nur noch zustimmen. Die Rolle des deutschen Königs wurde zwar erwähnt, aber unklar formuliert: »Amt und Würde« des Königs dürften nicht übergangen werden. Damit war dem deutschen König das Recht zur Nomination eines Papstkandidaten genommen, das die ottonischen Kaiser und noch Heinrich III. selbstverständlich wahrgenommen hatten.
 
Auf dieser Lateransynode wurde auch der Kampf gegen die Priesterehe auf eine neue Ebene gehoben, indem man nun das gläubige Kirchenvolk in den Kampf einbezog und den Laien untersagte, an Gottesdiensten teilzunehmen, die von verheirateten Priestern gefeiert wurden. Damit war den Laien ein wichtiger Part bei der Durchsetzung der Reformideen übertragen. Umstritten ist die Tragweite eines weiteren Beschlusses von 1059: Es wurde gänzlich verboten, dass ein geistliches Amt durch einen Laien übertragen wurde. Zweifelhaft ist, ob damit im Sinne Humberts von Silva Candida auch die Übertragung von Bistümern und Abteien durch den König untersagt war. Wahrscheinlich bezog sich das Verbot nur auf die Niederkirchen, also auf die Einweisung von Geistlichen an den Eigenkirchen durch ihren adligen Herrn und nicht durch den Bischof.
 
Neben Humbert spielte unter Nikolaus II. auch schon der Archidiakon Hildebrand eine wichtige Rolle als Mentor der päpstlichen Politik. Als Humbert und Papst Nikolaus II. 1061 starben, erhob Hildebrand, ohne auf das Papstwahldekret von 1059 Rücksicht zu nehmen, sofort einen neuen Papst, den Bischof Anselm von Lucca, der sich Alexander II. nannte (✝ 1073). In seinem Pontifikat kam es bereits zu schweren Spannungen mit dem deutschen König Heinrich IV., der seit 1065 selbstständig regierte.
 
 Gregor VII.: Ein Revolutionär auf dem Stuhl Petri
 
Noch während der Leichenfeierlichkeiten für Alexander II. wurde Hildebrand dann 1073 selbst zum Papst ausgerufen; wieder wurde dabei das Papstwahldekret nicht eingehalten. Diese Unregelmäßigkeiten wurden später von den deutschen Bischöfen als Begründung für ihre Absage gegen den Papst angegeben. Der neue Papst nahm den Namen Gregor VII. (✝ 1085) an. Seine Persönlichkeit hat schon in der Zeit, als er aus dem Hintergrund die päpstliche Politik bestimmte, polarisierend gewirkt. Ein friedliebender Mann wie der Kardinalbischof von Ostia, Petrus Damiani, nannte ihn einen »heiligen Satan«; seine geradezu unchristliche Zielstrebigkeit für die Sache der Kirche wird mit diesem Wort treffend gekennzeichnet.
 
Die theoretischen Postulate Gregors VII. sind zusammengestellt im Dictatus papae, 27 Sätzen, die hinter einem Brief vom 3. März 1075 in das Briefregister des Papstes eingetragen sind, jedoch nicht verbreitet wurden. Ihre zentrale Aussage besteht darin, dass dem Papst und der römischen Kirche eine absolute Sonderstellung zukomme, in die sie Christus eingesetzt habe. Die päpstliche Gerichtsbarkeit sollte vor allem dazu dienen, die Übel der Simonie und der Priesterehe auszurotten. Einige Sätze, etwa die Forderung »der Papst darf von niemandem gerichtet werden«, sind alt, andere von geradezu revolutionärer Neuheit. In Satz7 des Dictatus papae formulierte er: »Ihm (dem Papst) allein steht es zu, wegen des Zwangs der Verhältnisse neue Gesetze zu erlassen«, und ergänzte in Satz 17: »Kein Kapitel und kein Buch darf für kirchenrechtlich gültig gehalten werden ohne päpstliche Genehmigung.« Das heißt, vom alten Kirchenrecht sollte nur das Gültigkeit haben, was vom Papst autorisiert war.
 
Drei weitere Sätze des Dictatus papae, die ohne Vorbild in der Tradition sind, seien noch erwähnt. In Satz 26 heißt es: »Die Übereinstimmung mit der römischen Kirche allein entscheidet darüber, ob jemand außerhalb oder innerhalb der rechtgläubigen Christenheit steht.« Satz 12 stellt fest, dass der Papst Kaiser absetzen dürfe; damit wurde ein noch nie von einem Papst geübtes Recht behauptet. Und nach Satz 27 darf der Papst die Untertanen von der Treue gegen ungerechte Herrscher entbinden. In diesem Anspruch liegt eine ungeheure Sprengkraft, sie bedeutete nämlich, dass der Papst die geltende weltliche Ordnung verändern konnte. Hier ist angelegt, was Gregor VII. mit Bannung und Absetzung des deutschen Königs in die Tat umsetzen sollte.
 
Das Verhältnis zwischen Gregor VII. und dem deutschen König Heinrich IV. (1056—1106) war anfangs durchaus vertrauensvoll. So plante der Papst 1074, für den Fall seiner Abwesenheit auf einem Kreuzzug, Heinrich IV. zu seinem Statthalter zu ernennen. Als Heinrich aber 1075 in Mailand und sogar innerhalb des Kirchenstaats Bischöfe erhob, kam es zum Bruch. Gregor verlangte die Rücknahme dieser Ernennungen. Der König hatte aber nach seinem Sieg über die Sachsen seine Stellung so gefestigt, dass er nicht bereit war nachzugeben. Auch im deutschen Episkopat braute sich heftiger Widerstand gegen Gregor VII. zusammen, und als man in Deutschland erfuhr, dass am Weihnachtstag 1075 in Rom ein Attentat auf den Papst verübt worden sei, schien die Gelegenheit günstig, Gregor loszuwerden: Am 26. Januar 1076 wurde er durch die deutschen Bischöfe aufgefordert, »vom Stuhl Petri herabzusteigen«. Die Boten des Königs wurden fast gelyncht, als sie in Rom diese Botschaft vortrugen, und der Papst erklärte in einem Gebet an den heiligen Petrus den deutschen König für abgesetzt und für exkommuniziert. In Deutschland fielen darauf die meisten Bischöfe vom König ab, und die alten Gegner Heinrichs, die Sachsen und die Herzöge von Bayern und von Schwaben, planten eine Neuwahl. Es gelang Heinrich aber, einen Aufschub der Neuwahl bis zum Frühjahr 1077 zu erreichen; er musste allerdings bis dahin vom Bann gelöst sein, um seine Herrschaft wieder ausüben zu können.
 
Mitten im Winter überschritt er daher die Alpen und erschien Ende Januar 1077 mit kleinem Gefolge vor der Burg Canossa (südlich von Parma), wohin sich der Papst zurückgezogen hatte, der selbst nach Deutschland zu reisen beabsichtigte. In einem dreitägigen Bußgang erreichte der König, dass er vom Papst wieder in die Kirche aufgenommen wurde. Damit hatte Heinrich zwar einen taktischen Erfolg errungen, er hatte aber auch anerkannt, dass der Papst ein Kontrollrecht über den König besaß. Auch die Wahl Rudolfs von Rheinfelden zum Gegenkönig (März 1077 in Forchheim) wurde durch den Gang nach Canossa nicht verhindert.
 
1080 sprach Gregor VII. ein zweites Mal den Bann über Heinrich IV. aus; der König und seine Anhänger erhoben im Gegenzug Erzbischof Wibert von Ravenna zum Papst (Klemens III., 1080—1100). 1084 führte Heinrich ihn als Gegenpapst nach Rom, der ihn zum Kaiser krönte. Nach dem Abzug Heinrichs kehrte Gregor VII. jedoch mit normannischer Hilfe nach Rom zurück. Er konnte sich aber dort nicht halten, sondern musste wieder abziehen und starb am 25. Mai 1085 im Exil in Salerno.
 
Von den hochfliegenden Plänen Gregors VII. hatte nur wenig verwirklicht werden können. Besonders in Deutschland hatte das Schisma vielmehr das kirchliche Leben schwer beeinträchtigt, denn in vielen Bistümern standen sich ein kaiserlicher und ein päpstlicher Bischof gegenüber, die sich gegenseitig verketzerten.
 
 Urban II.: Konsolidierung der Reform
 
In den folgenden Jahren gelang es Gregors Nachfolger, Urban II. (1088—99), in zähen Kämpfen, die er mit großem diplomatischem Geschick führte, einen Teil der Absichten Gregors VII. durchzusetzen. Dieser Papst war ein ehemaliger Mönch aus Cluny, dem burgundischen Zentrum der Klosterreform, und er holte etliche Mitarbeiter aus Frankreich nach Rom. Damit zeichnet sich die besondere Beziehung zwischen dem Papsttum und Frankreich ab, die im 12. und 13. Jahrhundert noch enger werden sollte.
 
Aus einer sehr beschränkten Situation am Anfang seines Pontifikats — zeitweise war sein Wirkungskreis auf die Tiberinsel in Rom beschränkt — gelang es Urban bis 1095, seinerseits die Initiative zu gewinnen und sowohl den Gegenpapst Klemens III. als auch den Kaiser in Bedrängnis zu bringen. Auf seinem zweiten Italienzug war Heinrich IV. nach anfänglichen Erfolgen von seiner wichtigsten Gegnerin, Markgräfin Mathilde von Tuszien, und von Urban II. immer mehr zurückgedrängt und schließlich in einem kleinen Gebiet im Osten des Gardasees praktisch eingeschlossen worden. 1093 war Heinrichs ältester Sohn Konrad abgefallen und hatte sich von den Feinden des Vaters zum König von Italien krönen lassen. Ein Ausgleich mit den süddeutschen Fürsten brachte dem Kaiser wieder Handlungsfreiheit: Konrad wurde abgesetzt und an seiner Stelle der 1086 geborene Heinrich (V.) zum Nachfolger designiert; am 6. Januar 1099 wurde er zum König gekrönt. Ende 1104 sagte sich aber auch Heinrich V. von seinem Vater los und stellte sich an die Spitze einer Fürstenopposition, die in Bayern, Schwaben und Sachsen ihren Schwerpunkt hatte. Kurz vor Weihnachten 1105 gelang es Heinrich V. durch eine List, seinen Vater gefangen zu nehmen und ihm einen Thronverzicht abzupressen (31. Dezember 1105).
 
 Heinrich V.: Lösung des Investiturstreits
 
Die Lösung des seit 1075/76 das Reich aufwühlenden Investiturstreits wurde unter Papst Calixtus II. (1119—24) erreicht. Nach langen Verhandlungen wurde im September 1122 das Wormser Konkordat geschlossen, das aus zwei Urkunden, einer kaiserlichen und einer päpstlichen, besteht. Die kaiserliche Urkunde ist an Papst Calixtus und die Apostel Petrus und Paulus sowie die Kirche adressiert und spricht den Verzicht des Kaisers auf die Investitur der Bischöfe mit Ring und Stab aus; außerdem sichert sie freie Wahl und unbehinderte Weihe des Gewählten zu. Die päpstliche Urkunde war allein zugunsten Heinrichs V. ausgestellt; das Reich und mögliche Nachfolger Heinrichs V. werden nicht erwähnt. Hier wird zugestanden, dass die Bischofswahl »in Gegenwart des Königs« vor sich gehen sollte. Die Einweisung (Investitur) in die Regalien, die Besitzungen und Hoheitsrechte eines Bischofs, sollte mit dem Zepter vorgenommen werden, und zwar in Deutschland vor der Weihe, in Burgund und in Italien spätestens sechs Monate danach. Dem deutschen König war damit ein beachtliches Maß an Mitsprache bei der Erhebung der Bischöfe zugestanden.
 
Während ein deutscher Hoftag im November 1122 diese Abmachungen billigte, kam es im März 1123 auf der Lateransynode zu einem Tumult, weil die Zugeständnisse an den König den Reformern zu weit gingen. Dass auch der Papst das Konkordat als Sieg betrachtete, zeigt sich darin, dass er den Vertragsabschluss auf einem Wandgemälde im Lateran darstellen ließ, wo allein die Erfolge der Kirche erwähnt wurden.
 
Prof. Dr. Wilfried Hartmann
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
staufisches Kaisertum gegen universales Papsttum: Herren der ganzen Christenheit?
 
 
Blumenthal, Uta-Renate: Der Investiturstreit. Stuttgart u. a. 1982.
 
Handbuch der Kirchengeschichte, herausgegeben von Hubert Jedin. Band 2 und 3. Sonderausgabe Freiburg im Breisgau u. a. 1985.
 Hartmann, Wilfried: Der Investiturstreit. München 21996.
 Keller, Hagen: Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024 bis 1250. Frankfurt am Main u. a. 1990.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Investiturstreit — In|ves|ti|tur|streit, der <o. Pl.> (Geschichte): (im 11./12. Jh.) Streit der deutschen, englischen u. französischen Herrscher mit den Päpsten um die Einsetzung der Bischöfe und Äbte. * * * I Investiturstreit   Der Investiturstreit ist die… …   Universal-Lexikon

  • Gregor — I Gregor,   [griechisch, eigentlich »der Wache«, »der Wachsame«], Päpste:    1) Gregor I., der Große (590 604), * Rom um 540, ✝ ebenda 12. 3. 604; Kirchenlehrer. Aus senatorischem Adel. Durch vorbildliche Verwaltung des Patrimonium Petri… …   Universal-Lexikon

  • Heinrich — Hein|rich 〈m. 1; unz.; Bot.〉 Guter Heinrich Gänsefuß mit breiten, dreieckigen, spießförmigen Blättern: Chenopodium bonushenricus * * * Hein|rich: in den Wendungen den flotten H. haben (salopp; Durchfall haben); den müden H. spielen/auf müden H.… …   Universal-Lexikon

  • urban — städtisch * * * ur|ban 〈Adj.〉 1. höflich, weltmännisch, gebildet, fein 2. städtisch [<lat. urbanus „städtisch“; zu urbs „Stadt“] * * * ur|ban <Adj.> [lat. urbanus, eigtl. = zur Stadt gehörend, zu: urbs = Stadt]: 1. (bildungsspr.)… …   Universal-Lexikon

  • staufisches Kaisertum gegen universales Papsttum: Herren der ganzen Christenheit? —   Lothar III.   Nach dem Tode des 1125 kinderlos verstorbenen Heinrich V. rechnete sein Neffe, der Staufer Herzog Friedrich II. von Schwaben, fest damit, von den Fürsten zum König gewählt zu werden. Diese wählten aber den 50 jährigen Herzog… …   Universal-Lexikon

  • kluniazensische Reform — kluniazẹnsische Refọrm,   cluniazẹnsische Refọrm, von der Benediktinerabtei Cluny im 10. Jahrhundert ausgegangene monastische Reformbewegung. Die Gründung der Abtei (910) war verbunden mit dem Privileg der freien Abtswahl unabhängig vom… …   Universal-Lexikon

  • Christentumsgeschichte — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Dieser Artikel befasst sich mit der weltweiten Geschichte aller… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte des Christentums — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Dieser Artikel befasst sich mit der weltweiten Geschichte aller… …   Deutsch Wikipedia

  • Kirchengeschichte — Die Kirchengeschichte ist eine Teildisziplin der Theologie und der Geschichtswissenschaft. Sie befasst sich sowohl mit der Dogmengeschichte bzw. der Geschichte der christlichen Theologie, als auch mit der soziologischen und (kirchen )politischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Memento mori — Das Letzte Gericht. Aus der Bamberger Apokalypse, um 1000. Auftraggeber der Handschrift war entweder Otto III. oder Heinrich II. Der Ausdruck Memento mori entstammt dem mittelalterlichen Mönchslatein, wo er vermutlich verballhornt wurde aus… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”